Geflügel

Eine Frage der Gewichtung

Aviagen ist der weltweit führende Genetikanbieter für Masthähnchen. Die verschiedenen Ross-Hybriden werden von allen in der Schweiz tätigen Organisationen eingesetzt. Die Entwicklung der Egli-Geflügelfutter findet unter anderem im engen Austausch mit Aviagen statt. Maurice Sander ist bei Aviagen für den Verkauf und die Betreuung der Masthähnchengenetik für einen Teil des deutschsprachigen Raum verantwortlich. Der sympathische Holländer, ein Experte in der Mast-Hybridzucht mit langjähriger Er­fahrung, stellte sich den Fragen von Egli Fokus.

17. Mai 2024

Maurice Sander, war das Geflügel schon immer Ihre Leidenschaft?
Nein, anfangs lag meine Vorliebe bei der Milchviehzucht. Eine kombinierte Studie über die Züchtung von Milchvieh und Geflügel weckte mein Interesse. 1995 startete ich dann bei der damaligen EPI (Europese Pluimvee Industrie) und bin dann über Ross-EPI zu Aviagen gestossen. Seit 29 Jahren bin ich bereits in dieser Branche und habe viele Veränderungen miterlebt. Die Arbeit macht mir immer noch sehr viel Spass; im Geflügelgeschäft gibt es stets Herausforderungen und noch viel Potenzial.


Wo stand die Zucht bei Ihrem Start in der Geflügelbranche 1995?

Im Jahr 1956 begann Chunky Chicken (heute die Marke Ross) mit der Vermehrung von Geflügelrassen für die Fleischproduktion mit Fokus auf Wachstum und Futterverwertung. Dannzumal wuchsen die Küken in acht Wochen auf zwei Kilogramm (Tageszunahmen von 35 Gramm bei einer Futterverwertung von 2,50). Bei meinem Einstieg 1995 lag das tägliche Wachstum bei 45 bis 50 Gramm (dies entspricht den heutigen langsam wachsenden Hybriden). Heute sind wir bei rund 60 Gramm Tageszunahmen mit einer Futterverwertung von 1,50, und dies erst noch mit gesünderen Tieren und weniger Abgängen. Die ausgewogene Zucht nach Leistung und Tierwohl ist unser Erfolgsrezept.


Woher kommt Ihre Motivation, die Zucht immer noch weiter zu verbessern?

In der Geflügelzucht können Fortschritte schnell erzielt werden. Ich sehe derzeit, wie wir dank der Züchtung robustere Tiere erhalten. Das Tierwohl steht in der konventionellen Produktion derzeit an erster Stelle. Oft wird behauptet, dass das Tierwohl nur mit langsam wachsenden Rassen möglich sei. Das stimmt jedoch nicht. Das Tierwohl steht bei allen Rassen an erster Stelle, egal ob konventionell oder langsam wachsend.

Eine aktuelle wissenschaftliche Studie (Greenwell Poject, De Jong et. al., 2022, https://www.sciencedirect.com/...) zeigt, dass bei guten Haltungsbedingungen sowohl für konventionell als auch für langsam wachsende Hybriden ein ähnliches Tierwohl erreichbar ist. Diese Erkenntnis motiviert uns, die Zucht weiter voranzutreiben.


Die Ross-Hybriden zählen zu den leistungsfähigsten Masthähnchen. Die Futterverwertung liegt wie von Ihnen erwähnt mittlerweile unter 1.5 kg pro Kilogramm Lebendgewicht. Es braucht also weniger Futter, Wasser und andere Ressourcen, und es fallen weniger Hofdünger und Emissionen an. Lassen sich Ökonomie und Ökologie noch weiter optimieren?

Ökonomische und ökologische Aspekte spielen immer zusammen. Unser Ziel bei Aviagen ist es, die Menschen mit nachhaltigen Produkten zu ernähren. Diese müssen von hoher Qualität, für den Verbraucher bezahlbar und erst noch gut für die Umwelt sein. Es gibt immer Verbesserungspotenzial, die Frage ist, was in den verschiedenen Märkten gefragt ist.


Die Tiergesundheit konnte also verbessert werden, mit gleichzeitiger Verbesserung der Leistung. Wo stösst Aviagen an Grenzen?

Tiergesundheitsaspekte im Zuchtprogramm haben eine grosse Bedeutung und wiegen mehr als 35 Prozent des Zuchtziels. Je mehr dieser Aspekte berücksichtigt werden, desto robuster werden die Tiere. Wir dürfen jedoch die Leistungseigenschaften nicht aus den Augen verlieren. Unser Ziel ist ein nachhaltig gesundes Endprodukt mit hohem Tierwohl und wirtschaftlichem Wert. Dies ist nur durch eine ausgewogene Zucht zu erreichen.


Sind da auch Grenzen gesetzt?

Dank immer besserer Technik und wissenschaftlichen Möglichkeiten können wir Verbesserungen in den unterschiedlichsten Bereichen sehr präzise umsetzen. Bisher ist es uns gelungen, das Tierwohl trotz höheren Leistungen zu verbessern. Ich denke, verbessern kann man sich immer.


Ross-Masthähnchen sind in Sachen Effizienz Spitzenklasse. Kein anderer Hybrid scheidet weniger Stickstoff und Phosphor aus. Weniger effizient sind langsam wachsende Hybriden. Lassen sich die gegensätzlichen Bedürfnisse in Zukunft vereinen?

Unser Ziel ist es, robuste Tiere mit hoher Effizienz zu züchten. Effiziente Tiere sind in verschiedener Hinsicht gut für die Umwelt. Dank technischen Analysemöglichkeiten in der Zucht konnten verschiedene Krankheiten mit der Züchtung ausgemerzt werden. Diese Fortschritte machen die Hybriden robuster. Die auf den ersten Blick gegensätzlichen Bedürfnisse kommen seit Jahren im Zuchtprogramm zusammen. Betrachtet man alle Faktoren zusammen, wie Ressourceneffizienz, Umweltauswirkungen sowie das Wohlergehen des heutigen konventionellen Hybriden, ist es schwer Gründe dafür zu sehen, auf langsamer wachsende Hybriden umzusteigen.


Also hat der Verbraucher das letzte Wort?

Wir produzieren Fleisch für Menschen mit unterschiedlichen Wünschen auf der ganzen Welt. Unsere Tiere zählen in puncto Leistung, Tierwohl und Umweltschutz zu den Besten der Welt. Jeder Verbraucher sollte die Wahl haben, was er konsumieren möchte. Bio- oder Weidehaltung ist eine bewusste Entscheidung. Aber bei dieser Art der Produktion wachsen die Tiere weniger schnell, die Produktionskosten und die Umweltbelastung je kg Fleisch steigen wegen der schlechteren Effizienz. Komplett auf langsam wachsende Hybriden umzustellen, würde den Import von billigerem Fleisch fördern. Das Tierwohl ist schon auf einem hohen Standard, daneben dürfen wir aber das «Humanwohl» nicht vergessen.


Weil Ressourceneffizienz auch ökonomischer ist, sollten sich in den ärmeren Regionen der Welt die leistungsfähigeren Hybriden durchsetzen. Stimmt diese Einschätzung?

Ja, diese Entwicklung findet statt. Wir bewegen uns auf 9 Milliarden Menschen zu. Der Pro-Kopf-Bedarf an tierischem Eiweiss steigt, wobei Geflügelfleisch am stärksten zunimmt. Um diesen Bedarf zu decken, müssen wir weltweit eine effiziente Produktion aufrechterhalten. Aufgrund gesellschaftlich gewünschten Tierschutzmassnahmen in Westeuropa ist bei der Produktion bereits eine Verlagerung nach Osteuropa zu beobachten. Die Frage ist, ob die gewünschten Umwelt- und Tierschutzziele damit erreicht werden.


Was sind die Ansprüche und Wünsche der zukünftigen Konsumenten von Geflügelfleisch, und wie werden wir diesen gerecht?

Die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung bestimmt massgeblich das Kaufverhalten. Steht mehr Geld zur Verfügung (wie beispielsweise während der Corona-Beschränkungen), beeinflusst dies das Kaufverhalten. Derzeit sind die Verbraucher Preiskäufer. Ein kleiner Teil kauft mit einer gewissen Überzeugung alternative Produkte, was grundsätzlich toll ist. Verbraucher werden in Zukunft weiterhin sichere und erschwingliche Produkte verlangen. Entscheidend sind der Handel und die Supermärkte. Diese wollen ihr gutes Image behalten und nicht durch Interessengruppen unter Druck geraten.


Vielen Dank für den interessanten Einblick, wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und positive Entwicklungen.

Unser Ziel ist ein nachhaltig gesundes Endprodukt mit hohem Tierwohl und wirtschaftlichem Wert. Betrachtet man alle Faktoren zusammen, wie Ressourceneffizienz, Umweltauswirkungen sowie das Wohlergehen des heutigen konventionellen Hybriden, ist es schwer Gründe dafür zu sehen, auf langsamer wachsende Hybriden umzusteigen.

In den Aussagen von Maurice Sander decken sich die Werte von Aviagen und Egli Mühlen AG
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