Rindvieh

Neuer Futtermittelzusatz gegen Klimaerwärmung

Mit dem «Rülpsen» von Methan sind die Kühe in die Kritik der Gesellschaft geraten. Denn sie produzieren nicht nur Milch und Fleisch, sondern bei der Verdauung ihres Futters auch Methan. Methan ist nach Kohlendioxid das zweitwichtigste Treibhausgas und soll 25-mal klimaschädlicher sein als Kohlendioxid. Ein neuer Futtermittelzusatz, der die Methanemissionen bei Kühen deutlich senkt, hat kürzlich in der Schweiz die Zulassung erhalten.

02. Nov. 2022

Das von Kühen bei der Verdauung produzierte Methan ist Teil des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs (siehe auch Beitrag im «Egli Fokus» Frühjahr 2021). Der Methanausstoss der Kühe konnte bisher nur begrenzt über die Zusammensetzung der Futterration oder die Zugabe von Pflanzenextrakten reduziert werden. Das niederländische Unternehmen DSM hat nun einen innovativen Futtermittelzusatz entwickelt. Mit diesem Zusatz sinken die Methanemissionen bei Milchkühen um 30 Prozent und bei Mastrindern gar um bis zu 90 Prozent. Das Produkt mit dem Namen «Bovaer» wird von einer Walliser Firma im Auftrag von DSM in der Schweiz hergestellt.

In den vergangenen zehn Jahren wurden in verschiedenen Ländern Versuche mit Bovaer gemacht. Der Futtermittelzusatz ist unterdessen in mehreren Ländern zugelassen, unter anderem in Brasilien, Chile und seit März 2022 auch in der EU. Die amtliche Futtermittelkontrolle Agroscope hat Bovaer nun auch in der Schweiz die Zulassung erteilt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt in einer wissenschaftlichen Studie die Wirksamkeit des neuen Futtermittelzusatzes bezüglich Methanemissionsreduktionen.



Ein Viertel Teelöffel täglich, um eine Tonne CO2 einzusparen


So wirkt Bovaer: Im Pansen bauen Mikroorganismen Gras und andere faserhaltige Futtermittel ab, wobei sie Wasserstoffgas und CO2 freisetzen. Das Enzym bestimmter Mikroorganismen verbindet diese beiden Gase zu Methan, welches Kühe dann ausstossen. Wird Bovaer dem Futter der Kühe zugesetzt, wirkt es sofort und unterdrückt die Methanproduktion der Mikroorganismen. Mit einem Viertel Teelöffel Bovaer täglich in der Ration lässt sich pro Kuh jedes Jahr die Methanmenge von einer Tonne CO2-Äquivalent einsparen. Die Fütterung von drei Kühen mit Bovaer entspricht somit der Reduzierung des CO2-Ausstosses eines Familienautos. Wird die Anwendung eingestellt, kehrt die Methanproduktion auf ihr ursprüngliches Niveau zurück. Die methanreduzierende Wirkung ist jederzeit vollständig reversibel.

Die Anwendung des Futtermittelzusatzes ist für Mensch und Tier unbedenklich. Bovaer wird durch Erhitzen zweier Rohstoffe hergestellt, um sie vorübergehend miteinander zu verbinden. Nach ihrer Wirkung auf die Mikroorganismen wird die Verbindung im Verdauungssystem der Kuh aufgespalten und zerfällt wieder zu Substanzen, welche bereits natürlich im Kuhmagen vorkommen. Auch auf die Leistung der Milchkuh, die Verarbeitbarkeit der Milch und die Zusammensetzung der Gülle hat Bovaer keinen Einfluss.



Wer soll das bezahlen?


Bovaer wirkt also schnell und zuverlässig, ist unbedenklich für Mensch und Tier und auch für die Umwelt. Doch: Wer bezahlt den Futterzusatz? Die Zulassung in der EU erfolgte ausschliesslich aufgrund der positiven Auswirkungen auf die Umwelt. Das Rindvieh produziert mit Bovaer nicht mehr Milch oder Fleisch. Der Landwirt hat keinen direkten Nutzen.

Setzt er Bovaer ein, muss er für die klimafreundliche Massnahme von der Gesellschaft entschädigt werden. Eine Möglichkeit wäre, den Landwirt über den Handel von CO2-Zertifikaten für die Mehrkosten zu entschädigen.

Der Handel mit CO2-Zertifikaten ist ein Instrument der Umweltpolitik. Wer eine Tonne CO2 einspart, erhält ein CO2-Zertifikat und wer eine Tonne CO2 ausstösst, muss ein Zertifikat kaufen. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Der Handel der Zertifikate wird durch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) über das Schweizer Emissionshandelsregister abgewickelt. Die Zertifikate werden auch international gehandelt. In der Schweiz sind grosse, treibhausgasintensive Unternehmen vor allem in den Sektoren Chemie, Zement, Raffinerien, Stahl und Flugverkehr verpflichtet, CO2-Zertifikate zu kaufen.

Ob eine Massnahme, z. B. eben der Einsatz von Bovaer in Rindviehfütterung, zur Ausgabe von CO2-Zertifikaten berechtigt, entscheidet das BAFU. Das BAFU hat bislang noch keine CO2-Zertifikate für Methan-reduzierenden Futterzusatzstoff ausgestellt. Bovaer ist in der Schweiz noch nicht verfügbar. Der Einsatz von Bovaer wird sich zudem für den Milchproduzenten erst lohnen, wenn der Futtermittelzusatz für den Zertifikatshandel anerkannt ist.

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