Im Fokus

Vom fernen Japan zur Imkerei

55 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche; Weizen, Braugerste, Futtergerste, ­Zuckerrüben, Mais, Sonnenblumen, Raps, Luzerne; 150 Zuchtschweine, 14 Wagyu-­Rinder. Die Zahlen des Betriebes der Familie Tännler in Gretzenbach SO
sind beeindruckend, doch für einmal rücken sie in den Hintergrund. Die aktuelle Fokusgeschichte handelt nämlich von einer japanischen Imkerin, die ihren Schwarm in Neuseeland findet. Doch der Reihe nach:

14. Mai 2025

Die Geschichte nimmt ihren Lauf vor 27 Jahren in Neuseeland. Der damals 24-jährige Landwirt Beat Tännler aus Gretzenbach SO will dort auf einem Milchviehbetrieb ein Praktikum absolvieren. Damit er sich überhaupt verständigen kann, muss er jedoch noch ein wenig Englisch büffeln. Dazu besucht er eine Sprachschule in Whangamata, einer kleinen Stadt auf der Nordinsel Neuseelands. Mit derselben Absicht besucht die 27-jährige Japanerin Aiko Doiuchi die gleiche Sprachschule in derselben Stadt. Die Geschichte nimmt ihren Lauf: Die beiden lernen sich kennen und lieben, und vier Jahre später, nach ihrer Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau in Japan, entscheidet sich Aiko, von der Millionenstadt Osaka ins beschauliche Gretzenbach zu ziehen.

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Aiko Doiuchi

Die süsse Versuchung auf dem Zmorgentisch

Ein Kulturschock. Doch die ganze Familie Tännler und das gesamte Umfeld auf dem Betrieb schliessen Aiko schnell ins Herz. «Ich habe mich sofort zu Hause und wohlgefühlt hier in der Schweiz», erklärt sie lächelnd am grossen Küchentisch beim Besuch des Schreiberlings in ihrem Daheim. Sie lernt schnell Deutsch, arbeitet in einem Pflegeheim in Zofingen und erfährt bei der Mithilfe im Haushalt ihrer Schwiegermutter Hanni Tännler viel über das Kochen, Gärtnern und Haushalten in einem typischen Schweizer Bauernhaushalt. Als etwas Besonderes fällt ihr von Anfang an der feine Bienenhonig auf, der täglich auf dem Zmorgentisch steht und den sie sich genüsslich auf den hausgemachten Zopf streicht.

Nach und nach interessiert sie sich für das Imkern und schaut Alex Münger über die Schultern. Dieser arbeitete dannzumal auf dem Betrieb Tännler und kümmerte sich in seiner Freizeit mit Hingabe um die Bienen. Die Bienenhaltung hat eine lange Tradition bei Tännlers. Bereits Beat Tännlers Grossmutter hielt Bienen.

2008 startete Aiko dann den zweijährigen Imker-Grundkurs. Dort lernte sie nebst den praktischen Arbeiten auch das nötige theoretische Rüstzeug von Grund auf kennen. Unterdessen ist Alex pensioniert, und Aiko kümmert sich mit grosser Begeisterung um die aktuell 13 Bienenvölker. Der 83-jährige Vorgänger und Lehrmeister Alex unterstützt sie jedoch weiterhin bei den anfallenden Arbeiten.


Bienen wollen gut umsorgt sein


Die Arbeiten im Bienenstand beginnen je nach Witterung ab Februar/März. Es ist Zeit für die Frühjahrsdurchsicht. Alle zwei Wochen sind die Futtervorräte zu kontrollieren und überzählige Futterwaben zu entfernen. Von April bis Juli ist Hochsaison bei der Bienenhaltung. Ein- bis zweimal wöchentlich werden die Bienenvölker auf Krankheiten und Schädlinge kontrolliert, und zwei- bis dreimal wird Honig geerntet. «Das ist die schönste Arbeit als Imkerin», erklärt Aiko. Der Honigertrag schwankt stark von Jahr zu Jahr; je nach Witterung erntet sie durchschnittlich rund 200 kg Honig. Diesen verkauft Aiko ausschliesslich direkt. Schwarmkontrolle und das Einfangen von allfälligen Schwärmen stehen in dieser Zeit ebenfalls auf dem Programm. Nach Abschluss der Honigernte ist im August und September Futtersaison. In dieser Zeit füttert Aiko ihre Bienen täglich mit selbst gemachtem Zuckersirup. Ab Oktober werden die Völker auf den Winter vorbereitet und dann bis zum Beginn der neuen Saison gelegentlich kontrolliert.

Eine wichtige Tätigkeit übers ganze Jahr ist die Kontrolle auf Krankheiten und Schädlinge. Gegen den Befall der gefürchteten Varroa-Milbe werden die Völker im Juli und August zwei- bis dreimal mit Ameisensäuren und im November / Dezember mit Oxalsäure behandelt. Nebst der Varroa-Milbe und den meldepflichtigen Seuchen Faulbrut und Sauerbrut macht Aiko die Asiatische Hornisse Sorgen: «Die Asiatische Hornisse breitet sich in unserer Region und in der ganzen Schweiz immer mehr aus. Sie stellt für Honigbienen und andere Insekten eine grosse Bedrohung dar.»


Stolze Siegel-Imkerin


Zu Besuch im Bienenstand, direkt neben Tännlers Wohnhaus, sticht dem Besucher die einwandfreie Ordnung und Sauberkeit ins Auge. An den Bienenkästen hängen sauber ausgefüllte Arbeitsprotokolle. «So habe ich immer den Überblick», erklärt Aiko. Stolz zeigt sie die goldenen «Honigsiegel». Diese Qualitätsauszeichnung dürfen nur Imkerinnen und Imker verwenden, die sich für einwandfreie Honigqualität einsetzen und sich regelmässig kontrollieren lassen und weiterbilden. Das Honigsiegel klebt Aiko an jedes Honigglas und garantiert so für höchste Qualität.

Im persönlichen Gespräch nimmt man Aiko als ruhige, ausgeglichene und aufmerksame Frau wahr. Sind das die Voraussetzungen für eine typische Bienenmutter? Kurzes Nachdenken. Ja, meint sie dann und ergänzt: «Bienen mögen es ruhig und schätzen hektisches Verhalten überhaupt nicht, sonst werden sie aggressiv.» Lachend erklärt sie: «Und von Vorteil wäre es auch, immun gegen Bienengift zu sein.» Das sei sie nämlich nicht, dank therapeutischen Massnahmen habe sie das Problem jedoch unterdessen im Griff.


Die Welt mit anderen Augen sehen


Inwiefern verändern sich persönliches Verhalten und Ansichten als Bienenmutter? «Eine interessante Frage», findet Aiko. Sie habe sich zwar schon immer für die Natur interessiert, aber als Imkerin beobachte man noch einmal mit anderen Augen. «In meiner Heimatstadt Osaka ist die Natur weit weg. Das Wetter nimmt man da natürlich schon wahr, aber man macht sich nie grosse Gedanken darüber. Wenn es regnet, nimmt man einen Regenschirm mit und wenn es kalt ist, eine Mütze, mehr nicht.» Jetzt denke sie immer sofort an die Bienen: Können sie fliegen? Bekommen sie genügend Wasser und Futter? Haben sie kalt oder warm? «Wenn ich im Frühling oder Sommer in die Ferien gehe, muss ich eine Person organisieren, die die Bienen betreut. Bienen sind zwar nur kleine Insekten, aber auch meine Tiere, die versorgt werden müssen.» Ja, die Geschichte, die per Zufall in einer kleinen Stadt in Neuseeland mit der Liebe begann, ist auch für die Bienen auf Tännlers Betrieb ein Glücksfall.

Die Familie und der Betrieb Tännler

– Aiko und Beat Tännler Doiuchi, 2 Töchter (13- und 11-jährig), Schwiegereltern Hanni und Heini Tännler-Rüegger
– 55 ha LN, davon 33 ha Acker­fläche. Angebaut werden Weizen, Braugerste, Futtergerste, Zuckerrüben, Mais, Sonnenblumen, Raps, Luzerne
– Tierhaltung: 150 Zucht­schweine, 14 Wagyu-Rinder
– Arbeitskräfte: Betriebsleiter, 3 Mitarbeitende, 1 Praktikant, 1 Rentner, 1 Hausangestellte und 1 Teilzeitangestellte im Büro. Dazu hilft der Vater von Beat regelmässig mit.
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