Im Fokus

Öffentlichkeitsarbeit ist sauwichtig

Nik, ein Stadtkind aus Zürich, hat mit der Landwirtschaft nichts am Hut. Während der Corona-Zeit bekam er Lust, der Frage nachzugehen, woher denn das Schweinsschnitzel aus dem Supermarkt tatsächlich kommt.

02. Nov. 2022

Seither ist der Zürcher in Schweineställen im In- und Ausland unterwegs, so auch bei Egli-Kunde Peter Anderhub, Egli-Mitarbeiter Fritz Egli und bei uns in der Mühle in Nebikon. Unter seinem Instagram-Account «Stadtkind im Schweinestall» berichtet er über seine Eindrücke. Doch was steckt dahinter? «Egli Fokus» wollte es genau wissen.



Was ist deine Motivation, als Stadtkind in Schweineställen unterwegs zu sein?


Angefangen hat alles mit der Decke, die mir während der zweiten Corona-Welle auf den Kopf gefallen ist. Beim Kochen fragte ich mich plötzlich: Woher kommt das Schweinsschnitzel? Ich wollte entdecken, wer und was hinter dem Schweinefleisch steckt. Gleichzeitig versuchte ich mich mit der Plattform Instagram. Das ist doch spannend: Schweine und Instagram. Über meinen Instagram-Account knüpfte ich Kontakte zu Schweineproduzenten, die mich dann für einen Besuch eingeladen haben.



Unterdessen hast du über 80 Betriebe besucht. «Stinkt» dir das nicht langsam?


Überhaupt nicht! Es ist jedes Mal eindrücklich zu sehen, mit wie viel Leidenschaft sich die Landwirte um ihre Tiere kümmern und was für ein unglaublicher Einsatz hinter einem Schnitzel steckt. Als Konsument realisiert man das gar nicht.



Am 25. September wurde über die Massentierhaltungsinitiative (MTI) abgestimmt. Wie hast du abgestimmt?


Ich freue mich, dass die Initiative abgelehnt wurde. Seit meinem ersten Besuch auf einem Betrieb habe ich gesehen: Das Tierwohl steht bei den Landwirten an oberster Stelle. Der gesetzliche Standard ist in der Schweiz schon hoch, und viele Betriebe übertreffen diesen ja noch. Deshalb war für mich klar, dass ich vier Buchstaben auf den Abstimmungszettel schreiben musste.



Wie hast du die Schweizer Bauern erlebt?


Jeder Landwirt und jeder Betrieb sind anders und einzigartig. So verschieden die Betriebe sind, verbindet all diese Menschen eines: die grosse Leidenschaft für ihre Tiere. Es ist jedes Mal beeindruckend, mit wie viel Herzblut auf den Höfen gearbeitet wird und wie offen ich empfangen werde. Mir wurden alle Stalltüren geöffnet, alles erklärt, jede noch so dumme Frage beantwortet und auch kritische Themen nicht verschwiegen. Dies ist nicht selbstverständlich!



Was ist dein Fazit nach deinen Besuchen?


Ich esse noch immer sehr gerne Schweinefleisch, jetzt noch bewusster und dankbarer als vorher. Ich habe viel gelernt! Leider weiss man als «Stadtkind» heute nichts mehr über die Landwirtschaft. Man kann den Konsumenten nicht einmal böse sein, wenn sie nicht mehr wissen, woher das Essen kommt und wie es produziert wird. Ich bin nach diesen Einblicken tief beeindruckt von den vielen Zahnrädchen, die ineinander und miteinander funktionieren müssen, damit ich bestes Schweizer Schweinefleisch konsumieren darf.

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Die Fotos wurden dem Instagram-Account von @stadtkind.im.schweinestall entnommen. Diese entstanden teilweise im Ausland.

Inwiefern hat sich dein Bild gegenüber der Tierhaltung
in der Schweiz aufgrund deiner Besuche verändert?


Früher hatte ich ein Bild, das leider viele Stadtkinder haben: Das Bild der Schweinehaltung in den Medien ist leider oft negativ. Andererseits wird in der Werbung vermittelt, dass das Schwein auf der grünen Wiese lebt –was ja aber auch nur selten stimmt. Die Realität ist in der Mitte, und es ist eine gute Realität. Ich konnte nun mit eigenen Augen sehen, wie gut es den Tieren geht, wie viel Platz sie haben und wie gut zu ihnen an 365 Tagen rund um die Uhr geschaut wird.



Du hast es erwähnt: Das Schweizer Tierschutzniveau ist im Vergleich mit anderen Ländern hoch. Welches sind die grössten Unterschiede zum Ausland?


Pauschale Ländervergleiche sind schwie­rig. In Deutschland sind die Betriebe viel grösser; das sind Dimensionen, wie sie in der Schweiz bezüglich Tierzahlen gar nicht möglich sind. Beim Tierwohl hat die Schweiz die Nase sehr, sehr weit vorne. Während man in Deutschland langsam über den Verzicht des Schwanzkupierens nachdenkt, behalten in der Schweiz schon lange die Schweine ihren typischen Ringelschwanz. Viele weitere Dinge zum Tierwohl, wie genügend Platz oder Aussenausläufe, sind in der Schweiz weitverbreitet und grosszügig angelegt.



Wo siehst du weiteres Verbesserungspotenzial?


Erstes Verbesserungspotenzial sehe ich in der Kommunikation. Es gibt Tausende Stadtkinder wie mich. Die Landwirte tun so viel Gutes – nur wird darüber viel zu wenig gesprochen. Wenn jeder Betrieb nur etwas Kleines dafür machen würde, wäre schon so viel erreicht. Von virtuellen Einblicken auf den Social-Media-Plattformen über Stalleinblicksfenster und einer Einladung der Lokalpresse in den Stall bis hin zu Schulklassen, die in den Stall gelassen werden können und und und … Die Landwirte müssen zeigen, was und wie sie es machen. Öffentlichkeitsarbeit ist sauwichtig.



Schön und gut, aber als gut infor­miertes Stadtkind solltest du doch jetzt wissen, dass man aus hygienischen Gründen nicht alle Leute in den Stall lassen kann.


Das sehe ich anders, das geht problemlos. Jetzt sind wir nämlich schon beim zweiten Verbesserungspotenzial, beim Biosicherheitsmanagement. Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist nicht mehr weit von unserer Grenze entfernt, und sie kennt keine Grenzen. Mit einfachen Hygienemassnahmen wie dem Einduschen und Tragen von komplett betriebseigener Kleidung und Gummistiefeln kann das Einschleppen von Krankheitskeimen verhindert werden. Unter diesen Umständen sind Besuche problemlos möglich.



Was sind weitere Projekte von dir?


Meine Stallbesuche sind nicht ein Projekt, sondern 100 % Hobby. Ich mache die ganze Instagram-Geschichte, alle Reisen und Stalleinblicke aus eigenem Interesse in meiner Freizeit und bezahle alle Kosten selbst. Ich bin unabhängig und kann neutral und objektiv berichten. Es gibt noch viel zu entdecken, auf meiner Wunschliste stehen unter anderem noch die Themen KB-Station und Kernzucht. Hier hoffe ich, noch interessante Einblicke zu erhalten.



Nik, besten Dank für das Interview und für deine Arbeit für die Schweizer Schweineproduzenten.

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Die Fotos wurden dem Instagram-Account von @stadtkind.im.schweinestall entnommen. Diese entstanden teilweise im Ausland.
«Schau jetzt auf Instagram vorbei und besuche @stadtkind.im.schweinestall»
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